Was bedeutet eigentlich Bean to Cup

|Nicolas Vuille


Bean to Cup: Was das bedeutet und warum wir im Kaffee erst da stehen, was für Wein längst selbstverständlich ist. 

„Bean to Cup“ . Ein Begriff, den du vielleicht schonmal gehört hast, aber vielleicht gar nicht weisst was er wirklich bedeutet. 

Ich bin zwar kein Sommelier, doch ist mir ganz gut bekannt, dass in der Weinwelt es schon lange als selbstverständlich gilt, dass Konsument:innen wissen möchten, woher eine Traube stammt, wer sie angebaut hat, wie sie verarbeitet wurde und wie der Winzer sie dementsprechend interpretiert hat. Wurde sie im Barrique gelagert, wie wurde die Traube filtriert und welche Geschmacksaromen repräsentiert die Region? 

Momentan stecken wir bezüglich dem Thema Kaffee erst am Anfang dieser Entwicklung. Dies obwohl Kaffee, wie Wein, ein landwirtschaftliches Naturprodukt ist. Grund dafür ist, dass Kaffee historisch gesehen komplett anders behandelt wurde. Weil Kaffee das zweit meist gehandelte Gut weltweit ist, hat's mich persönlich umso mehr Wunder genommen und mich darum tiefer damit beschäftigt. Die Gründe sind ziemlich tief und prägen uns grundsätzlich bis heute. Kaffee ist ein Kulturerbe des Kolonialismus. 

Um zu verstehen, warum Transparenz im Kaffee lange gefehlt hat, muss man verstehen, woher Kaffee als globales Produkt kommt. Direct Trade war da lange ein Fremdwort. Während Weinproduzent:innen traditionell regional, lokal verankert und oft familiengeführt waren, wurde Kaffee ab rund dem 17. Jahrhundert zu einem kolonialistischen Rohstoff. Winzer:innen haben Status, Kaffeebauern nicht. Warum ist das so? Weil Plantagen unter Zwang von Kolonialmächten angelegt waren. Während Hersteller:innen keine Macht hatten, keine Namen und Endkonsument:innen demenstprechend keine Transparenz.

Da gabs noch kein Social Media. Oder Blogs wie ich ihn jetzt schreibe lol. Darum wurde Kaffee anonymisiert, vermischt und entpersonalisiert. Oft wurden Produzent:innen versklavt und die Wertschöpfung hinter dem Kaffee fand auf der nördlichen Hemisphäre statt. Bei Händler:innen, grossen Röstereien und dann auch globalen Marken wie wir sie heute noch kennen.

Somit gesagt: Die Menschen am Ursprung und deren Länder blieben unsichtbar. Ganz plump kann man sagen, Kaffee wurde zu einer Ware und nicht zu einem Kulturgut. 

Dieses Erbe ist bis heute noch spürbar und so wird dir wohl in jedem Restaurant erklärt was für einen Wein dass du heute trinkst, jedoch nicht was für einen Kaffee. Ich merke immernoch und vermute auch an der Auswahl im Supermarkt Regal, dass die Mehrzahl der Konsument:innen bis heute noch weiss, woher ihr Kaffee eigentlich stammt. 

Good News. Eine Vielzahl von Röstereien wie unsere versuchen das gerade zu ändern und endlich etwas Stil an die Konsument:innen zu vermitteln. Klar, man nimmt unsere Produkte als eher "teuer" oder "preiswerter" wahr. Die Frage ist aber eher warum ist das andere so verdammt billig. Ohne Witz, ich begreife nicht wie solche tiefe Preise im Regal zu Stande kommen können. Es ist mir ein Rätsel. Das ist so als würdest du für 2 Franken einen Liter Tetra Pack Wein kaufen. Wer verdient da noch etwas daran?

Die wichtigsten Punkte in einer "Bean to Cup" Philosophie zusammengetragen

Wer baut an? Wie leben diese Personen und welche Werte und Ideen stecken hinter ihrem Produkt. Deshalb wird unser Trip nach Brasilien und deren Dokumentation bald veröffentlicht. Nur der Ursprung des Kaffees entscheidet dann Varietät (also was genau für eine Bohne angebaut wird und ich rede da nicht von Arabica oder Robusta). Das ist als würdest du in der Welt des Weins einfach nur Rot- und Weisswein unterscheiden. Sondern was für Kirschen werden angebaut (Wein=Traube) und wie wurde sie verarbeitet (Wein=geflitert, unfiltriert, Barrique etc.). Im Kaffee redet man da von gewaschen, naturbelassen und/oder fermentiert. 

„Bean to Cup“ bedeutet daher:
Wir respektieren, würdigen und erzählen die Herkunft. Und es gibt übrigens auch nicht den "Best Coffee in Town" sondern nur den Kaffee den Dir am besten schmeckt. Jede Herkunft hat seine eigenen Ecken und Kanten, und das ist auch gut so. Wenn du was findest, dass dir gefällt dann ist das nicht der Beste Kaffee der Stadt, sondern der der dir am besten schmeckt. Idealerweise weisst du jetzt woher der kommt und wie der verarbeitet wurde. Dann kannst du wieder danach suchen 😊 Macht das Sinn? Schreib mir bitte unbedingt wenn nicht, ich ruf dich an und erklärs dir. 

Wir haben als Röster eine wichtige Aufgabe

In der Weinwelt verstehen inzwischen alle, dass Winzer:innen kein Verarbeiter ist sondern ein Transformer einer Traube in ein Getränk. Sie sind Transformer der Trauben und  interpretieren diese ihrer besten Form in eine Flasche. Genau so sind es Röster:innen in der Welt des Kaffees. Wir entscheiden schlussendlich wie wir die Qualität interpretieren. Wenn du qualitativ hochwertigen Kaffee einkaufst wie wir das machen, macht das extrem Spass. Wenn du Massenware kaufst ists nicht so cool - dazu aber vielleicht aber mal in einem späteren Blog etwas dazu.

Schlussendlich entscheiden wir über das Röstprofil, die Entwicklung, Balance, Süsse, Körper, Bitterstoffe, Aroma und wie fest wir eine Herkunft hervortreten lassen und ob eine Bohne etwas spezifisches "erzählen" soll. Der genau gleiche Lot und Varietät Kaffee kann je nach Röstung komplett verschieden schmecken. Genau so wie ein Chardonnay Weisswein je nach Winzer und gleicher Region auch ganz anders schmecken kann. Macht's klick? 

Die Weinwelt feiert diese Kunst seit Jahrhunderten und wir haben jetzt als junge Röster die Verantwortung diese Kultur irgendwie in die Welt des Kaffees zu bringen.Wir sind es als Gesellschaft den Kaffeeanbauer:innen schuldig. 

Warum hat es eigentlich bis vor 10 Jahren niemand begriffen?

Die Industrie war ziemlich smart und hat jahrzehntelang darauf aufgebaut, dass alles austauschbar wirkt.

„Arabica“ oder "Robusta" als Qualitätsmerkmal auf den Verpackungen haben ziemlich gewirkt. Oder "Italienische Röstung". Wie oft höre ich heute noch, dass du den besten Espresso an der ersten Autogrill Tankstelle gerade nach Chiasso findest. Glaub mir: Das liegt mehr an deinem Ferien-Dopamin Level wie an der Qualität des Kaffees. 

Glücklicherweise haben wir Schritt für Schritt ein Clientèle gefunden, dass sich mehr Fragen stellt. Viele unserer Kund:innen schreiben uns, fragen uns an der Espressobar woher der Kaffee stammt den wir rösten, wie die Umstände in den Anbauländern sind und welche Visionen hinter unserem Projekt stehen. Das erfreut mich sehr und macht die Vision irgendwie langfristig denkbar. Danke dafür :) 



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